Download_Geschlecht und Beruf

In diesem Unterrichtsentwurf rekonstruieren die Schüler*innen unter Einbezug historischen Quellenmaterials den Einfluss der Kategorie Geschlecht auf das Leben von Gastarbeiter*innen. Dabei lernen die Schüler*innen einerseits den Einfluss von politischen und ökonomischen Faktoren kennen, anderseits nehmen sie im Zuge der Auseinandersetzung auch die Konstruktion von Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern wahr.

Abstract

Durch die problemorientierte Auseinandersetzung mit der Arbeitsmigration der 1950er/60er Jahre rekonstruieren die Schüler_innen, unter Einbezug historischen Quellenmaterials, den Einfluss der Kategorie gender auf das Leben der Gastarbeiter_innen. Dabei lernen die Schüler_innen einerseits den Einfluss von politischen und ökonomischen Faktoren kennen, anderseits nehmen sie im Zuge der Auseinandersetzung auch die Konstruktion von Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern wahr.

Sachanalyse

Man hat Arbeitskräfte gerufen…

„[M]an hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen. Sie fressen den Wohlstand nicht auf, im Gegenteil, sie sind für den Wohlstand unerlässlich“1. Diese Worte Max Frischs subsumieren die zentrale Bedeutung der Arbeitsmigration der 1950er und 1960er Jahre in der BRD, aber auch damit einhergehende Diskriminierungen.

Migration wird als „räumliche Bevölkerungsbewegung, sowohl über Staatsgrenzen […] wie innerhalb eines politisch-territorialen, sozialen oder kulturellen Raumes“2 definiert. Die „sogenannte Gastarbeiterperiode oder konkreter Anwerbephase […] [im] Zeitraum von 1955- 1973“3 umfasst zeitlich die spezielle Form der Arbeitsmigration, die im Kontext der sozioökonomischen Verhältnisse in der Bundesrepublik entstanden ist. Im Zuge des Wirtschaftswunders entstand ein erhöhter Bedarf an Arbeitsplätzen, der von den Bundesdeutschen (u.a. Kriegsheimkehrer, (DDR-)Flüchtlinge) nicht mehr gedeckt werden konnte. Aus diesem Defizit heraus entstand die Initiative, Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben.4 1955 schloss Deutschland mit Italien das erste von zahlreichen Anwerbeabkommen und begründete somit die Grundlage der Migration aus den ökonomisch schwachen Herkunftsgebieten, meist aus Südeuropa, in die ökonomisch prosperierende Residenzregionen der Bundesrepublik. Die Migrationsforschung unterscheidet in der Betrachtung der Ursachen der Arbeitsmigration in Push- und Pull-Faktoren. Die Pull-Faktoren bezeichnen jene Aspekte, die eine Zuwanderung für die Residenzregionen interessant machen, beispielsweise für die BRD der Bedarf an Arbeitskräften und die günstige Lohnpolitik. Die Push-Faktoren bezeichnet jene Aspekte, welche die Migrant_innen zur Auswanderung aus der Herkunftsregion bewegt, beispielsweise in Italien die Hoffnung auf Verbesserung der Lebensbedingung oder Unabhängigkeit von der eigenen Familie.5

Das Konzept Gastarbeiterin und Gastarbeiter

Zahlreiche Migrant_innen emigrierten in der Hoffnung nach Deutschland, Arbeit zu finden und die daheimgebliebenen Familienangehörigen finanziell unterstützten zu können. Doch durch das Rotationsprinzip der Arbeitskräfte, eine dauerhafte Integration der Migrant_innen war nicht vorgesehen, dienten die Herkunftsregionen vielmals als Puffer für den deutschen Arbeitsmarkt.6 Das Konzept Gastarbeiterin und Gastarbeiter implizierte, dass bei abschwächender Wirtschaftsleistung die Arbeitsverträge nicht verlängert wurden und nur auf Bedarf Arbeitsmigrant_innen angeworben werden konnten. Somit war die Migration durch befristete Arbeitserlaubnisse, schlechte Ausbildungen, verminderte Aufstiegschancen und schlechte Lebensbedingungen geprägt. Die Migrant_innen hatten keine Wahl, da sie in ihrer Heimat oft keine Arbeit fanden und Schwierigkeiten hatten, ihr Leben zu finanzieren bzw. ihre Familien zu versorgen. 7 Es zeigt sich, dass das Konzept der Arbeitsmigration Elemente struktureller Diskriminierung entlang der Kategorie race (Ethnie) und class aufwies. Migrant_innen wurden bei der Arbeitssuche für Billiglohnarbeit angeworben und aufgrund ihrer finanziellen prekären Lage ausgenutzt, sodass von einer systematischen Diskriminierung, die Männer und Frauen in gleichem Maße betraf, auszugehen ist.

Geschickter, billiger, williger

Das Konzept des „klassischen“ Migranten entsprach dabei weitestgehend den bis heute anhaltenden Vorstellungen: jung, männlich und unverheiratet. 8 Diese Vorstellung wird der historischen Realität nicht gerecht. So waren 25% der ersten als Gastarbeiter titulierten Migranten weiblich. Monika Mattes oder Mario do Mar Catro Varela und Dimitria Clayton weisen auf, dass die Vorstellung, dass Migrantinnen erst durch das Phänomen der Kettenmigration 9 ab 1970 „als passive Anhängsel“10 nach Deutschland emigrierten, nicht haltbar ist.

Ebenso wie männliche Migranten mussten auch Migrantinnen die Sorge haben, nach nur kurzer Zeit in den Betrieben durch „ ‚unverbrauchte‘ Arbeiterinnen“11 ausgetauscht zu werden. Galt die Unterbringung von männlichen Migranten als weitestgehend ‚einfach‘, die Unterkunft wurde in einfachen Baracken organisiert, galten die Arbeitsmigrantinnen als „ ’sittlich‘ besonders 12. Daraus resultierte eine bewusstere Abschottung der Migrantinnen von der deutschen Bevölkerung. Kirchliche Wohlfahrtsverbände sorgten für eine „möglichst intensive fürsorgliche Betreuung“13. In den 1960ern galten Migrantinnen, auch im Vergleich zu männlichen Migranten, als „geschickter, billiger und williger“14, da sie oftmals aufgrund fehlender Alternativen Diskriminierungen hinnahmen. Besonders aus lohnpolitischer Sicht, sie verdienten weniger als männliche Arbeitsmigranten, waren sie attraktiv für den Arbeitsmarkt und fanden teils schneller Arbeit. Arbeitsplätze im unteren Lohnsegment wurden strukturell „mit jungen, gesunden und mobilen Frauen besetzt“15. Somit wurden sie für einfache Arbeiten, zu denen keine Ausbildung notwendig war, angefragt. 90% arbeiteten im verarbeitenden Gewerbe.16 Ist das Konzept von Männlichkeit und Weiblichkeit der Migrantinnen und Migranten beiderseits durch die „Bereitschaft“ für wenig Lohn zu arbeiten geprägt, unterscheiden sich die Konzepte hinsichtlich des Umgangs mit den Betroffenen. Männliche Migranten wurden in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, wurden nach Beschwerden durch die Regierungen der Herkunftsregionen teilweise angelernt und erhielten mitunter Aufstiegschancen.17 Die weiblichen Migranten wurden dagegen gesondert „betreut“, was bedeutete, dass sie dauerhaft im Billiglohnsektor untergebracht und nach Wohlwollen des Arbeitgebers „ausgetauscht“ wurden.

Neben der strukturellen Diskriminierung der Arbeitsmigrant_innen aufgrund der Herkunft (race) und der prekären ökonomischen Lage (class), offenbaren sich weitere Diskriminierung der Arbeitsmigrantinnen aufgrund des Geschlechts (gender). Aktuelle Forschungen weisen jedoch darauf hin, dass Arbeitsmigrantinnen auch die Rolle der agents of change zugeschrieben werden kann, als Pionierwanderinnen ebneten sie den Weg für weitere weibliche Migrantinnen der Folgejahre.18

Das Bild der bundesdeutschen Frau in den 1950er und 1960er Jahren

Zur Zeit der prosperierenden Wirtschaft lag die Erwerbsquote der Migrantinnen mit 71,6% nahezu doppelt so hoch wie die Quote der bundesdeutschen Frauen. Die 1950er und 1960er Jahre gelten „als Epoche mit hoher Aufladung geschlechterspezifischer Leitbilder, in der Regel interpretiert als Reetablierung jener Ordnung, die durch die Kriegsjahre und die Integration von Frauen in weite Bereiche vormals männlicher Berufsfelder außer Kraft gesetzt war.“19 Im Diskurs zur Kindheit, Familie und Frauenleben und der öffentlichen Diskussion zur frühkindlichen Sozialisierungsphase oder den Hospitalismusfolgen von Kindergrippen, wurde u.a. das Berufsverbot für Mütter mit kleinen Kindern diskutiert.20 Es entwickelte sich ein Konzept von Männlich- und Weiblichkeit, welches sich in den von Claudia Born, Helga Krüger und Dagmar Lorenz-Meyer durchgeführten Interviews aufzeigen lässt. Arbeitende Frauen berichten: „Das war so der Lebenslauf, was man so damals hatte: Schule, Lehre und nachher heiraten […] und dann hatte man sich ja total darauf zu konzentrieren, verheiratet zu sein.“21. Weiblichkeit war durch die Vorstellung, verheiratet zu sein, Kinder zu haben und den Haushalt zu organisieren, geprägt. Dies war auch politisch-strukturell angelegt: „§1356 Die Frau ist […] berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten.“22. 1958 wurde das Gesetz geändert: „§1356 Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“23. Erst 1977 wurde das Gesetz erneut geändert: „§1356 Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen. Ist die Haushaltsführung einem der Ehegatten überlassen, so leitet dieser den Haushalt in eigener Verantwortung.“24. Zu beachten ist dabei die Bedeutung der Hausfrau im Zuge der „reproduktionsbezogene[n] Hausarbeit.“25 Elisabeth Beck-Gernstein führt aus: „Die berufliche Arbeit bringt unmittelbar nichts anderes als Geld […] erst dessen aktive Umsetzung in Konsumgüter […] sichert die Bereitstellung und Erneuerung der primären Existenzmittel […], das heißt die ‚Reproduktion‘ (Marx) der Arbeitskraft und des Lebens.“26 Somit ist die Hausfrau als „Voraussetzung und Bedingung der beruflich organisierten Arbeit“27 anzusehen, womit eine oft unterschätzte ökonomische Bedeutsamkeit zutage tritt.

Auch Born zeigt in ihrer Interview-Analyse auf: „Ohne Mann war´ne Frau nichts.“28. Arbeitende, teils alleinerziehende Frauen, sahen sich einer gesellschaftlichen, teils auch familiären, Diskriminierung ausgesetzt: „Also ich wurde ganz doll angefeindet in meiner Familie, weil das eigentlich unmöglich war, Kinder zu haben und arbeiten zu gehen.“29 War die Vorstellung der weiblichen Arbeitsmigrantin klar durch den Duktus der „billigen Arbeitskraft“ geprägt, war das Bild von Weiblichkeit der bundesdeutschen Frauen dagegen durch das Hausfrauenkonzept bestimmt.

Frauen, die arbeiten gingen, taten dies in der Regel aufgrund der finanziellen Notwendigkeit, wenn sie alleinerziehend waren oder der Mann nicht genug verdiente. Nur wenige konnten bzw. wollten auf eigenen Wunsch einer Lohnarbeit nachgehen. Aus erstgenanntem Grund lässt sich das Konzept von Männlichkeit ableiten. Der männliche Teil des Haushalts hatte für die Absicherung der Familie zu sorgen, so auch das Selbstverständnis der berufstätigen Männer: „Ich verdien´ genug, daß wir die Miete bezahlen können, und daß Du gekleidet bist, und daß es uns gut geht´. – Das war seine Idee [hier: die Idee des Mannes]“30. Auch im Konzept von Männlichkeit offenbaren sich konträre Elemente. Männlich in der BRD war, wer viel Geld verdiente, im Job aufstieg und als Versorger für die Familie auftrat. Das Bild des männlichen Arbeitsmigranten ist konträr dazu. Als junger, unverheirateter Arbeiter im Billiglohnsektor, ohne ökonomische Sicherheit und Verpflichtung, eine Familie zu versorgen. Dass ein Großteil der Migranten emigrierte, da sie ihre Familie in der Heimat ernähren mussten, interessierte nicht.

Emanzipation – ein nationales Wir

Die Ende der 1960er Jahre einsetzende Emanzipationsbewegung der Frauen kann als weiterer Aspekt der Differenzierung vom Konzept der Weiblichkeit verstanden werden. Manuela Westphal stellt fest: „Mit ihrem Entschluß zur Migration und Arbeitsmarktaufnahme in der Bundesrepublik ermöglichen Arbeitsmigrantinnen den westdeutschen Frauen die Befreiung von den ’schlechtesten‘ und ‚untersten‘ Arbeitsplätzen.“. Auch Castro Varela zeigt, dass die Migrantinnen als „Katalysatoren“ der Emanzipationsbewegung dienten und eine „berufliche Besserstellung der bundesdeutschen Frauen“31 ermöglichten. Das „proklamierte Wir […] [war] immer ein nationales partikulares. […] Migrantinnen wurden als bedauernswerte Opfer gesehen und weniger als ’solidarische Schwestern‘, die gleichberechtigt im Wir der Emanzipationsdiskurses mitgedacht werden.“32 Das sich wandelnde Konzept von Weiblichkeit wurde auch im Selbstverständnis der Akteur_innen als national-beschränktes Konzept angesehen. Die Frauen forderten eine Gleichberechtigung unter Aufhebung des Abhängigkeitsverhältnis zum Mann. Arbeitsmigrantinnen standen trotz Lohnarbeit oftmals ebenso in der Abhängigkeit zu ihren Männern. Zusätzlich, durch strukturelle Diskriminierung, waren sie von Behörden und dem deutschen Staat abhängig. Eine Beteiligung an der Emanzipationsbewegung war demnach aus wirtschaftlichen und politischen Gründen nur schwerlich möglich, wurde aber auch von Seiten der bundesdeutschen Frauen nicht gefördert.

Insgesamt zeigt sich, wie stark die gesellschaftliche Identitätszuschreibung der Arbeitsmigrant_innen bezüglich des Kategoriengeflechts aus race, class und gender geprägt und durch Mehrfachdiskriminierungen bestimmt war.

  1. Frisch Max: Der Mensch erscheint im Holozän, Frankfurt am Main 1991.
  2. Hoerder, Dirk/ Lucassen, Leo: Terminologien und Konzepte in der Migrationsforschung, in: Bade, Klaus J./ Emmer, Pieter/ Lucassen, Leo/ Oltmer, Jochen (Hg.): Enzyklopädie Migration in Europa, Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn 2007, S. 28.
  3. Castro Varela, María do Mar: Zur Skandalisierung und Re-Politisierung eines bekannten Themas: ,Migrantinnen und auf dem Arbeitsmarkt´, in: Migration, Gender, Arbeitsmarkt, neue Beiträge zu Frauen und Globalisierung, hrsg. v. María do Mar Castro Varela/ Dimitria Clayton, Königsstein 2003, S. 15.
  4. Vgl. Haug, Sonja: Kettenmigration am Beispiel italienischer Arbeitsmigranten in Deutschland 1955- 2000, in: Archiv für Sozialgeschichte (AfS) 42 (2002) 123- 143.
  5. Vgl., ebd., S. 123- 143.
  6. Vgl. Bade, Klaus J.: Europa in Bewegung, Migration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München: 2000, S. 319.
  7. Vgl. Ostwald, Anne von: Volkswagen, Wolfsburg und die italienischen „Gastarbeiter“ 1962- 1975, Die gegenseitige Verstärkung des Provisoriums, in: Archiv für Sozialgeschichte 42, 2002, S. 57.
  8. Vgl., ebd., S. 72.
  9. Der Begriff wurde durch John und Beatrice Mac Donla geprägt und impliziert eine Veränderung des Wohnortes aus dem sozialen Kontext heraus. Ursprünglich wurde der Begriff jedoch auf ethnische Kolonien in Form von Geschwistergemeinden bezogen, dann aber auf verschiedene Kontexte übertragen.
  10. Mattes, Monika: Hindernisse und Strategien der staatlichen Anwerbung von ,Gastarbeiterinnen´ in der Bundesrepublik 1955- 73, in: Archiv für Sozialgeschichte 42, 2002, S. 105.
  11. Castro Varela: Zur Skandalisierung und Re-Politisierung, S. 15.
  12. Ebd., S. 15.
  13. Mattes, Monika zit. nach Castro Varela: Zur Skandalisierung und Re-Politisierung, S. 15
  14. Deutscher Caritasverband e.V. (Hrg.): Unterschätzt – die Gastarbeiterinnen, http://www.freiburg-migration.de/73248.html#top, eingesehen am 11.01.2014.
  15. Castro Varela: Zur Skandalisierung und Re-Politisierung, S. 17.
  16. Vgl. ebd., S. 16.
  17. Vgl. Delhaes-Guenther, Dietrich von: Internationale und nationale Arbeitskräftewanderungen. Eine Analyse der süditalienischen Außenmigration, Saarbrücken [u.a.] 1984, S. 249.
  18. Vgl. Castro Varela: Zur Skandalisierung und Re-Politisierung, S. 16.
  19. Born, Claudia u.a.: Der unentdeckte Wandel, Annäherung an das Verhältnis von Struktur und Norm im weiblichen Lebenslauf, Berlin 19996, S. 13.
  20. Vgl. ebd, S. 13.
  21. Ebd., S.111.
  22. Bürgerliches Gesetzbuch zit. Nach: Fuchs, Thomas (Hrg.): Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896, Buch 4. Familienrecht, Abschnitt 1. Bürgerliche Ehe, Titel 5. Wirkungen der Ehe im Allgemeinen Paragraf 1356. Haushaltsführung, Erwerbstätigkeit, http://lexetius.com/BGB/1356, eingesehen am 11.01.2014
  23. Ebd.
  24. Ebd.
  25. Beck-Gernsheim, Elisabeth: Der geschlechtsspezifische Arbeitsmarkt, Zur Ideologie und Realität von Frauenberufen, Frankfurt am Main/ New York 1981, S. 35.
  26. Ebd. S. 35.
  27. Ebd. S. 35.
  28. Born: Der unentdeckte Wandel, .S. 112.
  29. Ebd., S. 134.
  30. Ebd., S. 165.
  31. Ebd., S. 17.
  32. Ebd., S. 17.

Reihenverlaufsplan

Lernziel der Reihe: Geschlecht und Beruf – Arbeitsmigration in den 1960er Jahren der BRD

Die Diskussionen über Migrant_innen ist beständiger Teil der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler, unter Umständen direkt Bestandteil der eigene Familiengeschichte. Im Besonderen die Arbeitsmigration der 1950/60er Jahre bietet sich an, um die Historizität von Migration zu verstehen und die Schüler_innen zur Teilhabe an gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskussionen zu befähigen. Dabei lernen die Schüler_innen einerseits den Einfluss von politischen und ökonomischen Faktoren kennen, anderseits nehmen sie im Zuge der Auseinandersetzung auch die Konstruktion von Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern wahr. Durch die problemorientierte Auseinandersetzung rekonstruieren die Schüler_innen, unter Einbezug historischen Quellenmaterials, die Arbeitsmigration und den Einfluss der Kategorie gender auf das Leben der Gastarbeiteri_innen. Zusätzlich lernen sie den Einfluss der Kategorien race und class zu berücksichtigen und beziehen diese in die Rekonstruktion mit ein.

Durch die Arbeit mit verschiedenen Quellen(arten) sind die Schüler_innen in der Lage, zwischen Fremd- und Selbstzuschreibung von Identitäten zu unterscheiden. Dabei wird die Entstehung von (Gender-)Kategorien beleuchtet und deren Beschaffenheit als historisch veränderbar aufgezeigt. Durch die Vergegenwärtigung alternativer Konzepte von Männlichkeit und Weiblichkeit in den 1950/60er Jahren wird ein Bewusstsein der Parallelität von Gender-Konzepten verdeutlicht. Die Schüler_innen lernen, dass Weiblichkeit- und Männlichkeitsbilder einer Gesellschaft weder homogen noch dauerhaft stabil sind, sondern Produkte gesellschaftlicher Normalisierungsvorgänge. In Bezug zur eigenen Gegenwartserfahrung können durch den Einsatz von Werbe- und Musikvideos diese Vorgänge in der eigenen Lebenswelt kritisch überprüft werden. In der Auseinandersetzung mit der Emanzipationsbewegung lernen die Schüler_innen exemplarisch, dass sie durch ihr eigenes Handeln diese scheinbar normativen Konzepte verändern können.

Insgesamt lernen die Schüler_innen durch die behutsame Einführung von Fachterminologien, wie Push- und Pull-Faktoren oder Gender, diese im Kontext der Migration- und Geschlechtergeschichte fachgerecht anzuwenden. Zusätzlich lernen sie das Konstrukt von race, gender und class kennen und können diese Kategorien auf die Identitätskonstruktionen übertragen. Somit werden die Schüler_innen hinsichtlich ihrer eignen Identitätsbildung gestärkt und motiviert, vorhandene Kategorien kritisch zu hinterfragen. Durch das multiperspektivische Quellenmaterial und die erfahrene Alteritätserfahrung sind sie dann befähigt u.a. das Gesamtkonzept der Queer-Studies, auch bezüglich der Historizität, zu verstehen und die Genderkonstruktion über das Dichotomie-Verständnis von Weiblichkeit und Männlichkeit hinaus nachvollziehen zu können.

Die eigene Geschichtskultur kann hinsichtlich der Existenz normativer (Geschlechter-)Strukturen kritisch untersucht werden. Besonders in der Pubertät sind die Schüler_innen mit gesellschaftlichen Normen konfrontiert und können durch diese beeinträchtigt werden. Durch das geförderte Geschichtsbewusstsein der Schüler_innen werden Konzepte der eigene Lebenswelt als geworden und veränderbar verstanden. Sie lernen, eigene Fremdzuschreibungen kritisch zu prüfen und werden in der Herausbildung der eigenen Identität unterstützt.